Sonntag, 23. Februar 2014

Der erste Job nach dem Studium - jetzt geht's richtig los - oder eben auch nicht

Das Studium ist geschafft. Gefühlte tausend Prüfungen liegen hinter uns. Die Abschlussarbeit war ein absolutes Gefühlsbad - von anfänglicher Motivation, hinein in die Resignation, hin zum hassen des Themas bis über nächtelange Arbeit, hunderte Seiten füllen, zwischendrin unzufrieden sein, am liebsten alles hinschmeißen wollen - und dann? Dann ist der Tag, an dem sie fertig ist endlich da. Das Gefühl? Unbeschreiblich. Wir sind glücklich, stolz wie Oskar und voller Motivation nun endlich ins Berufsleben zu starten. Es könnte so schön sein.

Dann kommt die Frage - großes oder kleines Unternehmen für den Berufsstart?


Tja, gute Frage nächste Frage, dachte ich mir. Es hat ja alles so seine Vorteile:

Großes Unternehmen

- vermutlich mehr Gehalt
- etabliertes Unternehmen
- die wissen was sie tun
- man muss sich unterordnen in die starren Strukturen
- man ist hier eingefahren
- man ist nur einer von vielen
- herausstechen ist hier schwierig
- der Weg nach oben ist lang
- es gibt lange Kommunikationswege
- die Hierarchie ist stark gegliedert
- der Weg ist steinig und hart
- die Kollegen sind ein eingeschworenes Team oder aber das krasse Gegenteil ganz nach dem Motto: "Jeder gegen jeden im großen Haifischbecken"
- lernen ist schwierig, weil man auf das Unternehmen getrimmt wird

Kleineres Unternehmen (speziell Start Up)

- weniger Gehalt, weil noch nicht gut genug etabliert
- gewissen Risiko beim Einstieg
- aber man denkt sich, das Unternehmen kann ich mit aufbauen
- spannende Aufgaben
- große Herausforderung
- ständiges und tägliches lernen
- man kann nicht herausstechen
- die Kreativität und Offenheit sind hier gewünscht
- wenn ich hier zeige, was ich kann, dann kommt bald auch das große Geld
- der Weg ist auch steinig, aber man kann ihn zusammen ebnen
- das Team nimmt einen mit offenen Armen auf

Und dann? Dann kommt die große Ernüchterung!

Nichts war wie geplant. Aber auch absolut gar nichts. Die Wahl viel nun auf das kleine Unternehmen, in der Hoffnung hier den Berufsstart erfolgreich zu absolvieren. Jede Menge zu lernen! Mit all der Kreativität zu überzeugen. Endlich alles rauslassen, was ich im Studium gelernt habe.

Aber ganz ehrlich? So toll war es nicht.

Der erste Tag ist super - ich war aufgeregt, voller Energie. Ich nahm jede Aufgabe mit Kusshand an. Jedes Wort und jede Erklärung habe ich nur so aufgesaugt. Man will ja nichts verpassen, man will überzeugen. Stelle Fragen! Das habe ich überall gelesen. Also geht es los und der Mentor bekommt Löcher in den Bauch gefragt.

Dann ist die erste Woche vorbei. Der Mentor? Tja, der ist schon dezent gereizt aufgrund der vielen Fragen. Die Mentorposition stellt sich wohl doch recht schnell als lästige Nebenaufgabe dar, die nur vom Tagesgeschäft abhält. Die Fragen, die ihm gestellt werden sind allesamt unangenehm. Warum? Weil die eben schnell über das reine Verstehen des Unternehmens hinausgehen und schnell die Fragen von mir kamen: "Wieso wird das so gemacht und nicht effizienter?" "Ist es nicht einfacher das so zu gestalten?" "Kann man denn hier nicht Geld einsparen?" "Dürfte ich hier mal etwas überarbeiten und dann mal vorstellen?"

Ein ganz klares Nein! Du darfst hier erst einmal gar nichts, außer zusehen und den Mund halten.

Frisch vom Studium sind das alles Besserwisser!

Ja, diesen Eindruck habe ich wohl vermittelt. So genau sagte man das nicht zu mir, aber man hat es mich spüren lassen. Also was habe ich getan? Die Füße still gehalten. Das über Wochen hinweg. Hat das geholfen? Meinem Mentor mit Sicherheit. Der hatte nämlich seine Ruhe. Mir? Nein. Absolut nein! Bei mir staute sich nur alles an. Meine Ideen und Veränderungsvorschläge brachte ich vorläufig zu Papier, um sie nicht zu vergessen und zu einem späteren Zeitpunkt anzubringen. Solange hieß es Dienst nach Vorschrift.

Die Aufgaben waren zu Beginn noch aufregend, weil alles neu war. Nach vier Wochen war es schon Routine. Denn eins musste ich lernen. Mein Start Up, war wohl doch etwas überheblich. Leider auch nach kurzer Zeit schon recht eingefahren. Das Team war klein. Die Kommunikationswege scheinen bis heute dennoch unendlich lang. Informationen werden zurückgehalten oder per Prinzip "Stille Post" einfach so abgeändert, bis es am Ende meinem Mentor passt.

Bei mir stellte sich schnell Langeweile und Unterforderung ein. Ich will doch aber Herausforderungen. Lernen! Aber das war Fehlanzeige. Eines musste ich lernen - hier gab es hohe Stellenbezeichnungen, die im großen Unternehmen tatsächlich etwas bedeutet hätten. Zumindest einen langen Weg. Hier werden Titel vergeben wie warme Semmeln. Als wären sie nichts. Man muss scheinbar auch nichts dafür tun. Können muss man auch nichts. Effektiv arbeiten? Na das musste man bisher auch nicht.

Doch was viel auf? Da ist jemand Neues. Und dieser Neue der erledigt seine Aufgaben in der Hälfte der Zeit. Ist das effektiv? Vielleicht. Für meinen Mentor aber ist das einfach nur störend!

Stillstand im Start Up

Wir sind die Größten. Wir sind die Besten. Wir machen alle platt. Konkurrenz? Ach, die haben wir nicht.
Wonach klingt das? Für den normaldenkenden Menschen nach purer Selbstüberschätzung. Für meine Kollegen? Tja, denen kommt das wie die Realität vor.

Und ich? Ich schaue auch nach 4 Monaten noch zu. Und ich warte, dass die Probezeit vorbei geht, um endlich etwas sagen zu können. Ich möchte meine Verbesserungsvorschläge anbringen. Ich möchte zeigen, dass ich trotz der simplen Aufgaben schneller und effektiver Arbeite als mein Mentor. Der hat seine Stelle nämlich scheinbar geschenkt bekommen. Die Arbeit beginnt tatsächlich erst 15 Uhr. Bis dahin wird privat gesurft. Nachrichtenblätter gewälzt. Fußballnews studiert. Etwas klug daher geschwatzt. Alle kurz durcheinander bringen und etwas Chaos verursachen - Das hilft übrigens? Wofür fragst du dich? Na ganz einfach, die anderen sind beschäftigt und der faule Positionshascher hat wieder Zeit sich um seinen persönlichen Kram zu kümmern.

Quelle: www.starting-up.de

Überstunden sind selbstverständlich


Im Nebensatz fällt dann, ach der Tag ist schon vorbei. Man kam ja zu nichts und die Aufgaben liegen noch. Kannst du mal noch? Ich sitze da, schaue auf die Uhr. Der Feierabend steht bereits seit einer Stunde an. Die neuen Aufgaben, die unbedingt heute fertig gestellt werden müssen, die nehmen locker noch zwei Stunden in Anspruch. Eine unbequeme Frage habe ich da doch noch. Was ist eigentlich mit den Überstunden. Wo darf ich die notieren? Antwort: Ja, merk sie dir nur. Da zeigst du Engagement. Die machst du freiwillig.

Freiwillig? Ich werde gezwungen. Freiwilliges Engagement sieht anders aus. Gerne arbeite ich länger, falle auf, weil ich motiviert bin. Es steht eine Deadline an? Ehrlich, ich bin der letzte, der da pünktlich Feierabend macht. Lieber arbeite ich im Team, um die Geschäftsleitung zufrieden zustellen. Um herauszustechen.

Hier fallen aber Überstunden nicht aufgrund von Deadlines an oder aufgrund der Komplexität der Aufgaben. Hier fallen sie an, wiel mein Mentor gerne faulenzt und sich einen entspannten Tag gönnt. Weil er seine Aufgaben gern abschiebt und sich mit den Ergebnissen schmückt. Das war dann nämlich Teamarbeit.
Quelle: sueddeutsche.de

Was ist eigentlich Teamarbeit

Das ist wirklich eine witzige Frage. Ich dachte nämlich: Die Arbeit im Team. Alle Gedanken sammeln, das Beste davon herausholen. DIE super Lösung präsentieren. Gemeinsam diskutieren. Crowd Sourcing quasi.

Das ist witzig. Warum? Weil Teamarbeit hier bedeutet. Du arbeitest und "wir" haben das erledigt und geben das ab. Wenn es um die Lorbeeren geht, dann heißt es "ich" habe das gemacht. Wer das so sagt? Mein Mentor. Ein "wir" existiert bei der Aufgabenbewältigung. Ein "du" ist die tatsächliche Umsetzung. Ein "ich" ist dann die Ergebnispräsentation. Mein Name der taucht dann nicht mehr auf.
Quelle: www.msp-kolleg.de


Bald geschafft

Nun ist sie bald vorbei, die Zeit, in der man sich alles gefallen lassen muss. Die Zeit der Unterforderung. Naja so hoffe ich das zumindest. Ich werde mit der Sprache rausrücken. Ich werde Stellung nehmen und sagen, was los ist. Ja, das ist das Risiko im Start Up. Eingefahrene Strukturen aufbrechen. Wäre der Weg in das große Unternehmen besser gewesen? Vielleicht. Genau sagen, kann ich das nicht. Aber meine Erwartungen waren höher. Nun fiebere ich dem Ende entgegen und hoffe mich beweisen zu können. Ob das eine Hoffnung bleibt? Wir werden sehen.

Fakt ist aber eins. Ich lasse mich nicht unterbuttern. Ich habe zu lange studiert, um uneffektives Arbeiten akzeptieren zu können. Ich strotze vor Ehrgeiz. Immerhin werde ich bezahlt für meine Arbeit. Also werden an mich auch Erwartungen gestellt. Die werde ich erfüllen. Und wenn ich auch später noch als unbequem auffalle? Ganz ehrlich. Es ist mir egal. Ich möchte meine Ziele in der Karriere erreichen und die führen vorbei an Unbequemlichkeit. Also nehme ich sie in Kauf.

Wie habt ihr den ersten Job wahrgenommen? Wie viel lasst ihr euch gefallen? Wie baut man den Stress ab, ohne zu explodieren und jemanden gehörig die Meinung zu geigen?